Trend „Jawliner“: Was ist vom Kaugummikauen für eine markante Kieferlinie zu halten?

Das Jaw-Gym könnte CMD begünstigen

Das Kauen harter Kaugummis soll helfen, eine markante Kieferkontur zu entwickeln. Aussehen wie Brad Pitt ist derzeit en vogue und soll laut Kaugummi-Anbietern und Influencern durch Muskeltraining erreichbar sein.

Influencer Brett Maverick zeigt in zahlreichen YouTube-Videos, wie das Jawline-Workout funktioniert Kaugummi kauen rechts, links, langsam, schnell, und das bei offenem Mund. Etwas unappetitlich, aber angeblich funktioniert das Training auch, wenn man den zähen Trainingskaugummi weniger exponiert durchwalkt. Maverick wirbt für die Marke „Jawliner“. Andere Marken sind Falim Mastix, Stronger Gum, RockJaw u.v.m.

Auf der Homepage von „Jawliner“ wird das Kaugummikauen mit einem "Jaw-Gym" verglichen: Empfohlen werden 10 bis 15 Minuten tägliches Kau-Training, um eine, wie es dort heißt, „starke und gemeißelte“ Kieferlinie zu entwickeln. Der Kaugummi sei 15-mal härter als normaler Kaugummi. Allerdings ist er auch etwa 4x teurer bei 25 Euro für 100 g was für 2 Monate Training reichen soll.

Entstanden ist der Trend im Umfeld von „Looksmaxxing“, was als Maximierung der eigenen körperlichen Attraktivität übersetzt werden kann. Looksmaxxing tauchte Mitte 2014 in einschlägigen Internetforen auf und wurde in den 2020er Jahren auf TikTok populär. Neben Jawline-Workouts gehört auch Mewing (ebenfalls Training für eine kräftige Kieferpartie) zu diesem Selbstvervollkommnungshype.

Kann das funktionieren? Fast jeder Muskel kann trainiert werden, auch die Kiefermuskulatur. Allerdings bildet sich die Muskulatur langsam wieder zurück, sobald das Training beendet wird und das ist zu erwarten, falls der Hype einmal nachlässt ...

Welche Risiken gibt es? Sowohl die Bundeszahnärztekammer als auch die Deutsche Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie sehen im „exzessiven Kaugummikauen“ eine mögliche Ursache für eine Überlastung der Kiefergelenke und -muskulatur [1,2]. Dies kann zu einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) führen, die sich durch Schmerzen, Funktionsstörungen und Kiefergelenksbeschwerden äußert. Es ist jedoch nicht definiert, ab welcher Dauer und Intensität von einem „exzessiven“ Kaugummikauen auszugehen ist.

Zahnärztinnen und Zahnärzte, die sich bereits mit dem Trend „Jawbuilding“ konfrontiert sahen und sich in den Medien zum Thema äußerten, warnten zudem vor übermäßiger Abnutzung der Zähne, Defekten an Füllungen, Freisetzung von Amalgam durch Abrieb von Füllungen, Verstärkung bestehender Verspannungen und Bruxismus.

Was sagen Studien? Studien zur Wirksamkeit und zu den Risiken von Jawline-Workouts gibt es derzeit nicht. Das (ganz normale) Kaugummikauen wurde jedoch bereits auf verschiedene Effekte hin untersucht.

Eine Studie zu den Risiken des Kaugummikauens (und Piercings) für Craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) wurde bereits 2016 an Jugendlichen einer schwedischen Highschool durchgeführt [3]. 124 Jugendliche wurden per Fragebogen zu ihren Gewohnheiten befragt und 116 Probanden konnten klinisch auf CMD und Abrasionen untersucht werden. In dieser Studie wurden Muskel- und Kiefergelenkbeschwerden sowie Kopfschmerzen und Schwierigkeiten, den Kiefer weit zu öffnen und zu schließen, mit der Gewohnheit des Kaugummikauens in Verbindung gebracht. Das Knacken im Kiefergelenk und die Gelenkschmerzen waren bei denjenigen, die täglich Kaugummi kauten, stärker ausgeprägt, was die Ergebnisse einer früheren Studie bestätigte [3]. Die Autoren stellten fest, dass die Entwicklung von Symptomen wahrscheinlich sowohl von der Menge als auch von der Art des Kauens abhängt. Die Gruppe der Studierenden, die mehr Kaugummi kaute, litt stärker unter Muskelverspannungen. Eine kritische tägliche Kauzeit wurde auch hier nicht angegeben. Ob tatsächlich ein kausaler Zusammenhang zwischen Kaugummikauen und CMD besteht, lässt sich aus dieser Studie nicht ableiten.

Hat Kaugummikauen auch positive Auswirkungen auf die Zähne? Ein klares Ja. Aus zahnmedizinischer Sicht ist Kaugummi zunächst einmal kein Übeltäter, sondern hat durchaus auch positive Auswirkungen auf die Zahngesundheit. Das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi kann sowohl den Speichelfluss und den pH-Wert des Speichels erhöhen als auch die Plaquebildung und die Konzentration von Mutans Streptokokken und Laktobazillen im Speichel reduzieren. Klinische Studien bestätigen einen kariesprotektiven Effekt, so dass die Leitlinie zur Kariesprophylaxe feststellt: Das regelmäßige Kauen von zuckerfreiem Kaugummi kann einen zusätzlichen Beitrag zur Kariesprophylaxe leisten und wird daher insbesondere nach den Mahlzeiten empfohlen [4]. Kaugummikauen hilft nicht nur gegen Karies, sondern auch gegen Mundtrockenheit und Mundgeruch.

Fazit

Zu langes und heftiges Kaugummikauen kann zu Beschwerden im Kiefergelenk und in der Muskulatur führen. Sicher ist dies jedoch nicht, und es gibt keine Empfehlungen für eine unbedenkliche Kauzeit. Vor allem Jugendliche, die Interesse an diesem Trend zeigen, sollten aber in der Zahnarztpraxis vor den möglichen Gefahren des Kauens gewarnt werden.

Dagmar Kromer-Busch

Quellen

1 Bundeszahnärztekammer. Bruxismus als Risikofaktor einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD). Januar 2024

2 Deutsche Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie. Ursachen von CMD https://www.dgfdt.de/ursachen1 dgfdt.de

2 Mejersjö C, Ovesson D, Mossberg B. Oral parafunctions, piercing and signs and symptoms of temporomandibular disorders in high school students. Acta Odontol Scand. 2016;74(4):279-284. doi:10.3109/00016357.2015.1114668

3 Wincour E, Gavish A, Finkelstein T, et al. Oral habits among adolescent girls and their association with symptoms of temporomandibular disorders. J Oral Rehabil. 2001;28:624–629.

4 S2k-Leitlinie (Langversion). Kariesprophylaxe bei bleibenden Zähnen – grundlegende Empfehlungen AWMF-Registernummer: 083-021 Stand: Juni 2016